Thomas am 30.1.2015

Von Knöpfen und Tasten


Als Designer und Interface Addict schaut man allein schon aus Neugier auf die Bedienkonzepte der neuen Spielzeuge der Kollegen aus Musikproduktion und Sounddesign. Wer sind die Rockstars der Szene und welche Davids positionieren sich mit neuen Ideen zu Werkzeugen und Prozessen gegen die Goliaths der Branche?

Der Musiker möchte spielen und ausprobieren. Und ein spielerisch entstandener Fehler wird nicht selten zu einem tragenden Aspekt des Endproduktes. Daher bieten erfolgreiche Tools immer eine Balance zwischen einer kritischen Masse an Komplexität und einer niedrigen Einstiegsschwelle, die eine Beherrschbarkeit in Aussicht stellen. Oder anders gesagt, ich benutze ein Werkzeug nur, wenn es Spaß macht und ich in kleinen spürbaren Schritten besser werde und so zu beeindruckenden Ergebnissen komme. Das Beherrschen einer Fähigkeit ist hier sehr tief in der Kultur als Motor der eigenen Entwicklung aber auch der Selbstdarstellung verankert. Wenig ist langweiliger als pure Perfektion in der Musik, das Streben danach schafft aber das Spannungsfeld, das ein Bisschen von der Magie spüren lässt, die die Großen groß gemacht haben.

Eine klare Tendenz zeichnet sich seit einiger Zeit ab: Werkzeuge entwickeln sich weg von der großen Über-Workstation, die alle Funktionen in sich vereint hin zu spezialisierten überschaubaren monothematischen Tools und Modulen, die in genau ihrer Disziplin glänzen und dadurch beeindrucken können. Allerdings darf man die Use Cases nicht ganz aus den Augen verlieren. Auf der einen Seite der Soundtüfftler im Studio, der noch live lötet und wert auf jede Varianz der Klangsynthese legt versus den Singer Songwriter, der nur eben im Tourbus eine Skizze seiner Idee einspielen möchte, um den Moment festzuhalten. Bestimmt zwei unterschiedliche Anforderungen an die jeweiligen Geräte.

Spielzeuge

teenage po

Eine kleine Firma aus Schweden namens Teenage Engineering, die mich zugegebenermaßen schon mit dem OP-1 um den Finger gewickelt haben, hat nun mit dem Pocket Operator drei Instrumente für die Hosentasche herausgebracht, die irgendwie nach einer Mischung aus nacktem Taschenrechner und Mausefalle aussehen. Es gibt sie in drei Varianten: rhythm (beats), sub (basslines) und factory (melody). Und mit ihren 23 Tasten und 2 Drehreglern sehen sie nach einer Menge Spaß aus. Die Bedienung erfolgt über eine skurile Art von Illustration, die an alte LCD-Spiele erinnert. Wer mag findet für die kleinen auch etwas zum Anziehen, das merklich den Look des typischen Braun Taschenrechner zitiert.


5H8A4080-small

Der Arturia BeatStep Pro Sequencer richtet sich – nicht nur – an Nutzer analoger Vintage Synthies und Tongeneratoren. Durch seinen klaren Aufbau lassen sich funktionale Gruppen auf den ersten Blick erfassen. Optisch ist er ein Mix aus Revox Bandmaschine und Akai MPC. Diese Strenge gepaart mit der Verspieltheit dieser offenen Plattform lassen das haptische Eingreifen in die Musik zu einem sensorischen Akt werden. Das Anfassen wollen ist vermutlich auch der Grund für den Trend der Rückbesinnung auf verkabelte Geräte, die sich nicht nur im Live-Einsatz stabiler anfühlen. Die Franzosen haben zur Verdeutlichung ein kleines Video aufgenommen.


03

Mit dem LinnStrument des legendären Elektronik Pioniers Roger Linn und dem Novation Launch Pad Pro gibt es zwei neue Vertreter einer Gattung Instrument, die versuchen neue Wege – in der Art wie man mit Samples und Tönen umgeht – zu beschreiten. Während die Form der klassischen Klaviatur den technischen Gegebenheiten der Klangerzeugung geschuldet war, lösen sich diese Beispiele von der gewohnten Anordnung und verändern situativ die erreichbaren Optionen. Auch der Einfluss auf die Veränderung des erzeugten Signals wird ausgereizt und bedarf einiger Übung die Parameter wirklich zu kontrollieren. Und irgendwie denkt man an Zeiten einer Atari Hotz Box zurück.


Mobile Produktion

In der Kategorie „hinter Glas" gibt es vieles, das sich tut. Und es scheint sich der AudioBus als Standard für die Kommunikation der Apps untereinander zu etablieren. Aus den vielen Releases fallen drei Kandidaten besonders auf. Die Wavemachine Labs Auria Pro, die Akai iMPC Pro und der Waldorf Attack drum synth.


04

Auch wenn Skeuomorphismus im Interface Design nicht der letzte Schrei ist wirkt die Oberfläche der Auria gut gegliedert und brauchbar. Und als 48 Spur Recorder wird das iPad zur wirklichen Produktionsalternative. Die Edit- und Mastering-Funktionen sind auf professionelle Anwender zugeschnitten, die den Ablauf in einem Studio kennen. Die App bietet allerdings ausschließlich die Möglichkeit, mit Audio-Spuren zu arbeiten. Für eine Touch-Anwendung nutzt das Interface relativ wenig neue Ansätze der Gestensteuerung und orientiert sich an den Bedienparadigmen seiner großen Desktop-Brüder.


mpc

Die iMPC Pro tritt ein großes Erbe an. Die Ur-MPC (Music Production Center, 1988) war DAS mobile Produktionsstudio und setzte mit Ihrem klaren unverwüstlichen Interface bei einer Generation von Musikern Standards. Die iMPC nimmt spürbare optische Anleihen, ohne dabei zu naturalistisch zu wirken. Die Paradigmen und Formensprache sind gut interpretiert und es gibt mit dem MPC Element sogar einen haptischen Controller, der das alte Gummipadfeeling wieder aufleben lässt. Das direkte Sampling und die Erstellung von Pad Banken ist unverhältnismäßig komfortabler als mit dem ursprünglichen LC-Display und dem stark begrenzten Samplespeicher.


ios attack patternpage

Das Attack Plugin von Waldorf setzte mit Soundqualität und Editiermöglichkeiten Maßstäbe. Nun hat es dieses Produkt auf das iPad geschafft. Der Look der Oberfläche ist ohne wenn und aber als Old School oder „so 2000" zu bezeichnen. Das ist aber vermutlich als Reminiszenz an das ursprüngliche Plugin aus 2001 zu lesen. Die Bedienung macht aber Spaß. Jedes Instrument ist am linken Rand verortet und kann so im Sound Modus editiert und im Pattern Modus gespielt werden. Praktisch, wenn auch nicht sehr hübsch ist der Umgang mit den erstellen Patterns im Song Modus. Hier kann man sich spielerisch ein Arrangement aus seinen erstellten Patterns zusammenstellen. Als Zugabe gibt es noch einen Phrase Vocoder, der Sprach- oder Gesangsaufnahmen rhythmisch zerhackt.


Analoge Boliden

Neben den virtuellen Instrumenten gibt es aber auch eine Flut neuer echter Analogsynthies, die sich – wie Eingangs schon gesagt – ganz auf ihren Kern konzentrieren: tolle, echte Sounds erzeugen. Der Unterschied zwischen digital und analog besteht hier in der Synthese, während die digitale Synthese alle Schwingungen und Obertöne simulieren muss, entstehen bei der analogen Synthese die Töne durch oszillierende Stromkreise, die durch diverse Filter beeinflusst und verändert werden können um dann am Ende den Lautsprecher in Bewegung zu setzen. Das führt zu wesentlich wärmeren, intensiveren Klangfarben, mit einem weiten Spektrum an Resonanzen und sich selbst bedingenden Interferenzen, kurz lebendigere Sounds. Diese Schätzchen kommen mit einer Vielzahl von Dreh- und Schiebepotis, die zum experimentieren und herumspielen einladen.

Das Schöne ist, dass jedes Instrument seinen eigenen Charakter und eigene Eigenheiten in der Bedienung hat. Dieser Charakter spiegelt sich auch erfreulicherweise in der Abkehr vom Plastik wieder. Es kommen wieder Holz, Aluminium und Gummi zum Einsatz, wie es sich für ein richtiges Musikinstrument gehört.


Boliden

Eine Auswahl dieses wachsenden Genres sind die Wiederauflage des legendären Korg ARP Odyssey, der digital-analoge Roland JD-Xi, der wunderschöne Akai Pro Timbre Wolf, der Traum eines jedes Elektroingenieurs der Dave Smith Instruments Prophet 6, der außerirdische Modal Electronics 002 und das Monster Koma Elektronik Komplex. Es lohnt sich auf den jeweiligen Seiten in die Soundbeispiele einzusteigen.


leukos

Der Hipster unter den Synthies: Der Ploytec πλ² Leukos Micro-Synth. Nicht viel größer als eine Streichholzschachtel und trotzdem ein vollwertiger digital-analoger Synthesizer mit iPad Editor. Insgesamt sehr spröde, aber genau dieser Kampf macht vielleicht den Reiz aus, sich mit diesem Teil anzulegen.

Das Werkzeug bestimmt den Weg. Und hat maßgeblichen Einfluss auf den Entstehungsprozess einer Produktion. Es wird sich zeigen, welche dieser Konzepte tatsächlich Anklang im anspruchsvollen Klientel der Komponisten und Produzenten finden. Vielleicht hört man vom ein oder anderen ja demnächst noch mehr.

Kleiner Tipp noch: Avid hat die Einsteigerversion „Pro Tools First" ihres quasi Industriestandards Pro Tools der in allen namhaften Tonstudios Einsatz findet umsonst veröffentlicht. Einfach mal ausprobieren: http://apps.avid.com/ProToolsFirst/