Demodern am 21.1.2015

Wrist Wars


Dank des alljährlichen CES Wahnsinns ist jetzt schon ganz klar, was der Fokus großer Tech-Marken im Jahr 2015 sein wird: Nach dem anfänglichen Wearable-Hype im letzten Jahr, wird sich wohl in diesem Jahr alles rund um das Pinning kleiner Computer in allen erdenklichen Körperteilen drehen. Augen, Ohren, Oberkörper, Füße - nichts bleibt unberührt. Und das Epizentrum des Ganzen ist: das Handgelenk. Die ganze Branche wartet nun seit einiger Zeit auf den lang angekündigten User Acceptance Test der Apple Watch. Wird es die typischen Befürworter überzeugen und sich als State of the Art durchsetzen? Zwar ist die Apple Watch eines der bekanntesten Konzepte für das moderne Handgelenk, doch im Grunde nur eines von vielen hunderten Produkten, die 2015 ihren Weg Richtung Massenmarkt einschlagen.

Derzeit sehen wir viele Ansätze, die von gepimpten Uhren bis hin zu völlig neuen Kategorien von Handgelenkschmuck reichen. Grundsätzlich wird das Thema vor allem aus zwei Richtungen angegangen. Zum Einen als eine metaphorisierte Zukunftvorstellung traditioneller Uhren, und zum Anderen als fortschreitende Miniaturisierung von Computern.

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Was ist das für ein Ding? Eine Uhr, ein Mini-Computer? Eine Mischung von Beidem? Oder gar das Gleiche?
(Uhren-Icon von Jamie Rothwell, Computer von Edward Boatman via The Noun Project )

Während die Kernfunktion traditioneller Armbanduhren schon immer in der Kommunikation des Status und im Zeichen der Mode lag - vor allem in Zeiten, wo die Zeitfunktion immer mehr in den Bereich der Smartphones rutscht - wird die Identität des Computers durch dessen Funktionalität festgelegt. Diese unterschiedlichen Wahrnehmungen bieten die Grundlage für eine recht breite Palette von Produkten für die dieses relativ junge Feld. Dennoch haben die meisten Produkte eines gemeinsam, wenn auch in unterschiedlichem Grad: die Abhängigkeit vom Smartphone.

Wie dem auch sei. Zeit sich einige Modelle näher anzuschauen:


Apple Watch

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Produktfoto Apple

Wie bereits erwähnt gilt die Apple Watch wohl als das Produkt, worauf die Branche gewartet hat. Vor allem auch, weil sie die Mischung traditionellem Uhrenhandwerks mit Personal Computing verbindet, wie Jony Ive eloquent und ausführlich im Präsentationsvideo erklärt. Dieses Device bedient sich designtechnisch an der Idee der Armbanduhr als Mode-Accessoire. Ganz typisch für Apple-Produkte, die - für den State-of-the-Art - stark miniaturisierte Technologie, die für den Träger nicht im Vordergrund stehen soll. Es ist die Nutzung, nicht die Spezifikationen, die das Device definiert. Diese Art von Designsensibilität hat bereits Eindruck hinterlassen, bevor das Produkt überhaupt offiziell publiziert wurde, sodass viele andere Hersteller auf ähnliche Designzüge aufzuspringen versuchten.


Virgin Media's KipstR

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Produktfoto Virgin Media

Das KipstR, momentan noch in Testphase, beschreibt ein Device-Konzept, das nur für einen einzigen Zweck konzipiert wurde: Zu beobachten, wenn der Nutzer vor dem Fernsehgerät einschläft, um anschließend Aufnahmen zu triggern. Nicht ganz sicher wie ernst das Produkt tatsächlich ist, haben wir es jedoch mit aufgelistet, um einen Kernaspekt zu veranschaulichen. Funktionssingularität hat viele Mobile Apps sehr erfolgreich gemacht. Entzerre das Wirrwarr, konzentriere dich auf einen Punkt und mache ihn perfekt (übrigens einer von Apple's Mantras) ist hier ein definitiv gültiger Ansatz. Aber gilt dieser auch bei dieser Art von Devices? Während Smartphones eine riesige Anzahl von Apps mit nur einem Zweck beherbergen kann, so bietet das Handgelenk nur bedingt Raum. Impliziert das gleichzeitig, dass man ein Schweizer Taschenmesser von Device benötigt, das einen für alle Eventualitäten - von Fitness Tracking bis hin zur Kontrolle der Raumtemperatur - wappnet? Oder wird sich gar das Verhalten der Nutzers dahingehend ändern, dass einzelne Devices für bestimmte Zwecke angewendet werden? Nun ja, vielleicht gibt es ja einen Markt für Wearables im Batman-Utility-Belt-Style - oder wir machen es einfach wie dieser Kerl.

Übrigens findet man den Ansatz der Funktionssingularität auch in anderen Produkten wieder, wie beispielsweise der Hyundai BlueLink Watch, die auf die Funktionalität des Fahrzeug abzielt, oder auch die First Alert One Link Watch, die mit dem Sicherheitssystem von First Alert in Verbindung steht kommuniziert.

KipstR Website


Montblanc Timewalker Urban Speed e-Strap

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Produktfoto Montblanc

Das Produkt aus dem Hause Montblanc ist der erste Ausflug der Luxusuhren-Herstellers und ein weiterer durchaus interessanter Ansatz. Statt sich dem Kern einer Uhr - dem Austausch der mechanischen Elemente durch digitale Komponenten - zuzuwenden, entschied man sich für ein neues Nutzer-Erlebnis am Armband. Auf diese Weise bleiben beide Welten unberührt und man nutzt die Stärken einer jenen. Einerseits die Uhr als Mode-Accessoire, ergänzt das Device am Armband die typischen Notification- und Tracking-Features. Zu einem gewissen Anteil, unabhängig von der digitalen Komponente des Produkts, sicherlich ein kleiner Aftermarket-Kompromiss und vorsichtiger Schritt in die Welt der digitalen Kommunikation. Aber dennoch eine gute strategische Positionierung für Montblanc:

Der digitale Part kann unabhängig von der Uhren aktualisiert werden und bestehende Kunden können somit ihre Uhr mit dem neuen E-Strap jederzeit nachzurüsten. Im Vergleich hat man bei anderen Ansätzen in diesem Bereich oftmals das Gefühl, einem Kompromiss zwischen Nützlichkeit und Schönheit ausgesetzt zu sein. Wie am Beispiel von Martin Watches.

Montblanc's Produktseite


Moto 360 & Alcatel One Touch

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Produktfoto Alcatel

Diese Klasse von Uhr-Devices beherzigt den Ansatz der vollständigen Digitalisierung der Uhr, bei gleichzeitiger Aufrechterhaltung der traditionellen runden Form des Gehäuses. Die Entscheidung die klassische Ikonographie einer Uhr beizubehalten, stellt jegliche Computer-Konnotationen zunächst in den Hintergrund. Obwohl auch hier ein hoch technologisiertes Gerät vorliegt, erscheint das Produkt im Grunde noch "undigitaler" als bei Apple. Wichtige Info für iPhone Nutzer: Während das Alcatel Device völlig kompatibel ist, arbeitet das Moto 360 mit Android Wear Software.

Alcatel Produktseite
Moto 360 Produktseite


Looksee Fashion Labs & Misfit Swarovski Shine

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Produktbilder Looksee & Swarovski

Obwohl man sie nicht wirklich als "Uhren" bezeichnen kann, sind diese beiden Produkte auf ihre Art sehr interessant. Beide sind, ohne Zweifel, in erster Linie Mode Accessoires und dann Tech Gadgets. Das LookSee Band hat ein Wraparound e-Ink Display, das Swarovski Device gar keins. Der Gedanke hierbei scheint wohl der zu sein, das ursprüngliche Erlebnis nur subtil zu erweitern, ohne die Ästhetik des Produkts all zu stark zu beeinträchtigen. Zusätzlich zielen beide Produkte eher auf Frauen ab, die den Smartwatch-Markt ohnehin - durch das große und maskuline Produktdesign - bisher als überwiegend uninteressant empfinden. Dennoch wäre es interessant zu sehen, wie sich große Player der Branche an ein weibliches Luxus Accessoire traut, das sowohl elegant ist, aber dennoch einfach und unproblematisch täglich getragen werden kann.


Nach der CES ist vor der CES

Dies ist natürlich nur ein kleiner Auszug der Wrist Wars. In diesem Jahr stürmt eine solche Vielzahl an verschiedenen Devices mit verschiedenen Formen, Inhalten und Funktionen auf den Markt, dass es immer schwieriger wird den Überblick zu behalten. Vielleicht sind die Wrist Wars auch schon vorbei, bevor sie überhaupt angefangen haben. Denn viele aufregende Wearable-Konzepte überspringen bereits das Handgelenk und fokussieren andere Körperteile. So beispielsweise auch die vielversprechende Idee der Bragi Dash In-Ear Headphones, die als Wireless Plugs auf eine elegante und passive Art tracken, messen, kontrollieren und informieren. Sicherlich ein interessantes Konzept, in dem viel Potenzial steckt. Es bleibt also spannend zu sehen, was uns noch so erwarten wird. So oder so, wir sehen eine deutlich attraktivere und realistischere Vision in dem hier als in dem.