Florian am 1.4.2016

Driving a Gadget


Wer kennt es nicht? Man klickt sich durchs Netz, ohne Sinn, Verstand oder konkretes Ziel. Man befindet sich auf den merkwürdigsten Seiten, auf Youtube-Videos von Ziegenböcken, die sich mit ihren Hörnern am Po kratzen, oder, wie an diesem Tag, in einem BMW-Gewinnspiel: Probefahrten mit einem BWM i3 wurden verlost. Ganz geil eigentlich so ein Elektro-Auto, dachte ich. Aber warum sollte ich das gewinnen wollen? Wenn Elektro-Auto-Probefahrt, dann lieber gleich mit einem Tesla.

Wie man an eine Sportwagen-Probefahrt kommt, wenn man sich nicht mal einen gebrauchten Kleinwagen leisten kann? Ich rief Tesla an und gelangte an eine eloquente junge Dame, darauf geschult meinen finanziellen Background zu erfahren: “Nur damit wir wissen, womit sie unser Auto vergleichen werden… was fahren sie denn zur Zeit?” Ich erzählte ihr von dem alten, rostigen Ford Fiesta meiner Freundin. Das reichte – schon hatte ich meine Tesla-Probefahrt. Und ich durfte sogar noch jemanden mitbringen.

Was ist besser als ein Probefahrt-Termin für eines der fortschrittlichsten und schnellsten Autos der Welt? Das Ganze auch noch während der Arbeitszeit. Der einzige Autonarr im Hamburger Team wurde dabei mein Komplize. Bis auf das ein oder andere Youtube-Video zum “Insane”-Modus hatten wir beide keine Erfahrungen mit einem Tesla gemacht.

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So sieht er also aus: Der Insane-Modus. 

Es ist soweit

Ausgestattet mit einem Smartphone-Navi mit überholten Map-Daten und einem 20 Jahre alten Kombi, machten wir uns auf den Weg nach Poppenbüttel.


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15:44, 10.8 Liter Verbrauch. Die Lambdasonde glüht.


Irgendwo dort im Gewerbegebiet sollte der shiny Tesla-Showroom auf uns warten. So hatten wir uns das zumindest vorgestellt.

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Glowing in the Dark. Die Tesla Garage strotzt vor Elektrizität. Die Ladesäulen haben einen schicken Retro-Future Touch.


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Ein Herz für Tesla. Rot ist ein Thema.


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Lacksamples, Konfigurator, Auto-Rohling – präsentiert von den Demodern Nummernboys.


Nachdem wir unsere persönlichen Daten in ein Tablet eingegeben und die Newsletter-Erklärung abgelehnt haben, bekamen wir anhand des Fahrgestells eine kurze Einführung in den Aufbau des Model S und seine Spezialitäten.

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Unter der Haube. Mehr kann nicht kaputt gehen: Klimakompressor, Steuergerät und Spannungs-Ding. Im hinteren Bereich ist nur noch der melonengroße Elektromotor.


Das Fahrgestell ist eine Art Rohling. Nur ausgestattet mit den unbedingt notwendigen mechanischen Bauteilen (z.B. Klima- und Elektromotor) dient es als Grundlage für die automobilen Funktionen, die alle komplett über die Software gesteuert werden. Lenken, Bremsen, Beschleunigen, die Innenraumbeleuchtung, Bedienelemente, … – alles kann theoretisch über die Software überarbeitet und kontrolliert werden. Dadurch kann Tesla seinen Kunden zum Beispiel die Autopilot-Funktion über ein einfaches Software-Update zur Verfügung stellen.
Argwöhnische, ängstliche und vorsichtige Menschen könnten nun argumentieren, dass dadurch jeder Tesla gehackt und ferngesteuert werden kann. Stimmt ja auch: Tesla hat dazu einen Wettbewerb laufen, der Jedem, der es schafft ein Fahrzeug zu hacken, ein Model S schenkt. Also, go for it!

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Der Autoschlüssel: Gibt’s da nicht ‘ne App ‘für?


Nach der Einführung drückte uns der Verkäufer die Miniatur eines Teslas in die Hand: Der Autoschlüssel.
Ausgestattet mit drei Tasten – auf Dach, Motorhaube und Heckklappe.

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Sobald man sich dem Auto mit dem Schlüssel nähert, fahren die Türgriffe automatisch aus und werden beleuchtet.


Die Probefahrt

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Kurz vor dem Kickdown an der Ampel. Rot ist ein Thema.


Flo, Designer, seit 12 Jahren mit einem Volvo Kombi Bj 94 unterwegs, kann die Heckklappe in 3.2s öffnen.

Christopher, Entwickler, seit einem Jahr stolzer Besitzer einer Fahrerlaubnis, kann einen Ford Focus mit Schaltgetriebe beherrschen.

Tesla Model S, Insane, seit 4 Jahren auf dem deutschen Markt, von 0 auf 100 in 3.2s, kann ohne Schaltunterbrechungen beschleunigen.

Diese Kombination versprach viel Spaß für alle Beteiligten: Kickdowns auf leeren Straßen, G-Kräfte-Sucht, 007-Easter-Eggs im Interface, und ein immer-freundlicher Begleiter von Tesla, der uns nicht unbedingt dazu angestiftet hat langsamer zu fahren.

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Das James Bond Easteregg: Long-Touch auf das Tesla-Logo, 007 als Code eintippen und man bekommt statt einem Tesla das U-Boot-Auto aus “The Spy Who Loved Me” im Interface angezeigt. We like.


Während der Probefahrt erfuhren wir nicht nur was es heißt, 2.1 Tonnen Lithium wie eine Katze durch die Straßen zu jagen, sondern auch, dass man Teslas (auto-)lebenslang gratis aufladen kann.
Dieses Fahrgefühl, der moderne Produktdesign-Ansatz und die Tatsache, dass diese “Automobil-Neulinge” so ganz nebenbei die komplette Autoindustrie aufmischen, hat uns komplett begeistert.
Es war nicht der Prius-Ansatz, der uns permanent vor Augen führt wie vernünftig (und hässlich) Autos sein können. Teslas Absicht ist ganz klar der Joy of Use. Sie begeistern die Fahrer mit den beeindruckenden Leistungen, die durch die Elektromotorisierung möglich sind und verbinden das mit konstant weiterentwickelten, userzentrierten Comfort- und Gadget-Funktionen. Service-Design im Auto.

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Überdimensioniert. Der Screen. Das Interface wirkt leider zu kompliziert und veraltet.


Worüber wir uns – obwohl wir große Screens lieben – nicht so gefreut haben, war der 17”-Monitor, der die gesamte Mitte des Autos vereinnahmte. Nicht nur, dass dieses Gerät total überdimensioniert wirkte, ist das Interface auch überholungsbedürftig und verkompliziert den Zugriff zu Standardfunktionen. Ein personalisiertes Dashboard könnte dabei Abhilfe leisten. Die einfachste und direkteste Art der Interaktion leisten aber immer noch haptische Bedienelemente. Diese haptische Art des Inputs zu dynamisieren könnte ein spannender Interaktionsansatz sein.

Das Fazit

Die Rückfahrt ins hamburger Zentrum verbrachten wir vor allem im Stop & Go – was in einem benzinbetriebenen Schalter mit Loch im Auspuff nicht unbedingt das Angenehmste ist – und philosophierten über das gerade Erlebte.
Wir waren uns einig: Wir mögen den Elektro-Antrieb. Die Beschleunigung, die Stille, den Komfort. Die viel zeitgemäßere Herangehensweise an einen Antrieb. Man Sitzt nicht mehr in einem Kasettendeck (20 Jahre alter Wagen), oder einem Mini-Disc-Player (aktueller Wagen), sondern ist mit Spotify unterwegs.

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Das “Armaturenbrett” ist im Vergleich zum Riesenscreen angenehm reduziert gestaltet.


Was uns aber am meisten begeistert ist, dass Tesla den Schritt gemacht hat, das Produkt Auto von Grund auf zu erneuern und zeitgemäß umzusetzen. Ein Tesla sieht nicht so aus wie ein Prius und er fühlt sich auch nicht so an. Das ist gut so. Ein Model S will nicht vernünftig wirken, sondern hochwertig und sportlich. Dabei auch immer sehr amerikanisch, breitschultrig und selbstbewusst. Ausgelegt für breite Straßen und große Parkplätze. Dass sie dabei in punkto Design – sowohl bei den Interfaces als auch bei der Karosserie – noch nachlegen sollten ist das eine; aber im Kern hat Tesla erkannt, dass es den Joy of Use und damit die Emotion beim Kunden braucht um Verlangen zu schaffen. Niemand kommt mit braven, sinnvollen, Energie-Rückgewinnungs-Screenshots aus dem Autodisplay in aller Munde. Aber mit einem Insane-Mode, Autopilot, oder einem 007-Easteregg schon.

Zudem leisten Meldungen, wie gratis Strom an allen Tesla Power Stations, das letzte bisschen Überzeugungsarbeit. Auch bei uns. Dennoch fänden wir die Tatsache, Elektromotoren in allen Autos zu haben, noch reizvoller. Eine alte Karosserie, der Komfort von alten schwedischen Volvo-Leder-Autositzen und dazu lautloses dahingleiten mit unglaublicher Geschwindigkeit. Der Kontrast zwischen alt und neu macht die Sache noch reizvoller. Ein Updgrade-Kit also. Das wär’s.

Ein kleines Contra wäre da noch der Preis des Model S: Um die 100.000 EUR. Etwas zu viel für Besitzer von rostigen Ford Fiestas oder Volvos. Aber auch das hat sich nun mit der Veröffentlichung des Model 3 relativiert. Ab 2017 setzt Tesla voll auf Quantität und bietet das kompaktere Modell für den breiten Markt ab 35.000 USD an.